Vor einigen Jahren besuchte ich mein erstes Seminar zum Thema Heilung. Der Teilnehmerkreis bestand überwiegend aus Frauen mittleren Alters. Fast alle gaben in der Vorstellungsrunde an, auf der Suche nach dem „Sinn ihres Lebens“ beziehungsweise ihrer „Lebensaufgabe“ zu sein. Ich erschrak. War ich doch offenbar bis dato regelrecht unbedarft durch mein Leben gestreift und war meinen diversen Erfahrungen – schönen und weniger schönen – ungesucht und ungewollt begegnet.
Hatte ich durch dieses Verhalten möglicherweise meine Lebensaufgabe verpasst? Oder verschlafen? Lebte ich gar ein Leben abseits meines Plans?
Alle anderen schienen so reflektiert, machten sich ständig Gedanken über sich. Und ich? Anstelle zu wissen, was meine eigentliche, große Aufgabe ist und was als nächstes zu tun wäre, fiel ich mental in ein Loch. Für alles, was ich gerne mal gemacht hätte (und das waren viele Dinge!), brauchte ich viel Zeit und Geld. Was ich nicht hatte.
Kurz darauf las ich im Internet den bekannten Satz von Marie Forleo: „Clarity comes from engagement not thought„. Plötzlich begriff ich. Es half nichts, dass ich dauernd darüber nachdachte, was ich denn Großartiges, Wegweisendes, Lebenssinnstiftendes tun wollen könnte. Ich musste los gehen – nein, besser: einfach weiter gehen. Das Nächstbeste tun, was im Rahmen meines Budgets und meiner Zeit eben möglich war.
Dieses Nächstbeste war der Besuch eines Vortrags, über den ich „zufällig“ gestolpert war. Der Referent machte sich gleich zu Beginn darüber lustig, dass so viele Menschen heutzutage auf der Suche nach dem Sinn ihres Lebens seien. Das empfinde er als eine komische Modeerscheinung. Wenn beispielsweise jemand es als seinen Lebenssinn betrachte, ein Land aus der Unterdrückung zu führen, er alle Kraft darauf verwende und ihm das tatsächlich gelänge, wäre das eine tolle Sache – aber was dann? Dann wäre der selbstdefinierte Sinn seines Lebens erfüllt. Was täte der dann? Von einem Felsen springen?
Die Gesichter einiger ZuhörerInnen sprachen Bände. Eine fragte schließlich, welchen Sinn das Leben denn nun habe. Er lachte und antwortete: Das Leben hält viele Aufgaben bereit, und wir bekommen die zugeteilt, die für uns gedacht sind. Durch unsere Art, diese Aufgaben zu lösen, werden wir zu Gestaltern unseres Lebens und unserer Umwelt und damit auch unserer nachfolgenden Aufgaben.
Am Ende des Vortrags war ich erleichtert: Ich hatte gar nichts falsch gemacht! Der Sinn des Lebens besteht darin, zu „sein“ und unser Leben zu meistern. Schritt für Schritt. Sich nicht zu verstecken, nichts einfach nur auszuhalten, sondern zu handeln, aktiv zu sein. Gelegenheiten zu nutzen, wenn sie sich bieten. Dann werden wir geführt und getragen und sind erfüllt.
Das Leben erfüllt sich von selbst, wenn wir es lassen.